Die
Gefährdete Nutztierrasse des Jahres 2009
Geschichtliche Entwicklung Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam das Steinschaf noch in folgenden Gebieten vor: In Bayern konnte man es hauptsächlich in Berchtesgaden finden, in großen Teilen der Umgebung Traunsteins und südöstlich von Rosenheim (KASPAR 1928). FÜHRER (1911) berichtet, dass das Steinschaf in Salzburg am stärksten vertreten ist und sich noch in Reinzucht im Oberpinzgau und Teilen des restlichen Pinzgaues sowie in den Arltälern, in Geißau und teilweise noch im Tennengebirge hält. In Nord- und Osttirol waren bereits damals alle Steinschafe mit Ausnahme des Gebietes der nördlichen Hänge der Kitzbühler Alpen eingekreuzt und in Kärnten hatte es sich auf den obersten Teil des Mölltals zurückgezogen. In Südtirol war das Steinschaf noch im Obervinschgau, Eisack-, Passeier- und oberen Pustertal beschrieben worden; 1964 war dieser Bestand auf weniger als 1 000 Stück reduziert (MASON 1967). Zwei neuere wissenschaftlichen Arbeiten, die sich mit der Abstammung der Bergschafrassen beschäftigten, ergaben folgende Schlussfolgerungen: WASSMUTH UND MITARBEITER (2000) stellten mit Hilfe von stichprobenartigen Blutuntersuchungen verschiedener Bergschafrassen fest, dass das Steinschaf trotz unterschiedlicher Einkreuzungen auf das neolithische Torfschaf zurückgeht. Die genetische Differenzierung der Schafrassen im Ostalpenraum untersuchte BAUMUNG (2003) anhand von 25 Microsatelliten-Loci. Das Alpine Steinschaf zeigte deutliche genetische Distanzen zu den drei anderen Rassen der Steinschafgruppe – dem Montafoner-, Krainer- und Tiroler Steinschaf. Alle regionalen Steinschafrassen konnten eindeutig als eigenständige Rassen eingestuft werden. Aktuelle Zuchtzielbeschreibung Die Zuchtzielbeschreibung entspricht den alten Rassebeschreibungen. Das Alpine Steinschaf ist ein kleines bis mittelgroßes Schaf. Alle Wollfarben und Farbzeichnung treten auf. Es ist mischwollig mit markhaltigen, langen Grannenhaaren und gewellten, feinen und kürzeren Wollhaaren. Das Kopfprofil ist gerade und das Nasenbein leicht gebogen, die Ohren stehen waagrecht bzw. leicht hängend ab. Die Tiere sind feingliedrig mit sehr harten Klauen. Der überwiegende Teil der Böcke ist gehörnt. Weibliche Tiere zeigen teilweise Hornansätze und sogar Hörner. Als besondere
Leistungen werden aufgeführt: anpassungsfähig an die raue Haltung im
Hochgebirge, nutzt für Rinder unzugängliche Hochlagen, robust, genügsam,
wetterhart, hohe Milchleistung, asaisonale Brunst, meist zweimalige
Lammung je Jahr, frühreif und sehr gute Muttereigenschaften. Für
Mutterschafe wird ein Lebendgewicht von 45 – 60 kg, für Altböcke von
60 – 75 kg angestrebt. Häufig ist in Bezug auf die Größe ein Geschlechtsdimorphismus zu
beobachten, d.h. die Böcke überragen deutlich die Mutterschafe. Aufgrund
seiner Zutraulichkeit ist es gut geeignet für die Haltung in kleinen Beständen. Derzeitige
Situation In
Bayern begann die Herdbuchzucht mit der Initiative der Züchter Dr.
Gerhard Burkl und Christian Haarpaintner, die seit 1985 bei ihren ungezählten
Fahrten noch dem ursprünglichen Typ entsprechende Einzeltiere aus
Berchtesgaden, Garmisch, Nauders und Weerberg (Tirol) zukauften. Der Autor
baute seine Herde 1996 mit den letzten reinrassigen Tieren aus Nauders
auf, die von Dr. Reiner Seibold in einer Rettungsaktion nach Bayern
gebracht wurden und der Zuchtbetrieb von Josef Aschauer, Ramsau, hatte
schon immer Alpine Steinschafe gehalten, die dann 1997 ins Herdbuch
eingetragen wurden. Im
Rahmen eines ersten Zusammentreffens von Alpinen Steinschafzüchtern aus
Bayern und Österreich am 23. Februar 2000 in Rohrdorf wurde für die
Rasse eine einheitliche Rassebeschreibung und -bezeichnung festgelegt. In
den folgenden Jahren intensivierte sich der Kontakt unter den Züchtern.
Im Rahmen einer Prämierung auf der Glentleiten wurde am 9. Oktober 2004
die Arbeitsgemeinschaft der Alpinen Steinschafzüchter gegründet. Zur
Sprecherin wurde Renate Aschauer gewählt. Die
Züchterinnen Renate Aschauer und Nathalie Ketterle erstellten eine
Projektidee zur Wollvermarktung. Mit verschiedenen Partnern werden seitdem
typische Wollprodukte, wie zum Beispiel Troyer, Zopfjacken und -westen, Mützen,
Handschuhe und Socken aus Garn sowie aus Filz Einlagesohlen, Taschen und Rücksäcke
hergestellt. Ab 2007 schloss sich Birgit Kessler-Prusko als dritte
Steinschafzüchterin dem Wollprojekt aktiv an. Jedes
Jahr treffen sich nun die Züchter und Freunde dieser Rasse auf einem
Zuchtbetrieb (2005 Josef Aschauer, Ramsau und Günter Jaritz, Unken; 2006
Christian Mendel, Neubeuern, 2007 Birgit Kessler-Prusko, Attel und 2008
Paul Höglmüller, Piesenhausen). Dort werden allgemeine Punkte
besprochen, aktuelle Themen vorgestellt, eine Wollsammlung durchgeführt
und die jeweiligen Betriebe besichtigt. Auch die österreichischen Züchterkollegen
sind regelmäßige und gern gesehene Gäste. Die angelieferte Schweißwolle
wird gemeinsam begutachtet, sie ist handverlesen, rein schwarze Wolle wird
gesondert sortiert. Im Januar 2008 wurden die Produkte auf der
Internationalen Grünen Woche in Berlin präsentiert. Der
Zuchttierbestand an Alpinen Steinschafen liegt in Bayern bei 203 herdbuchmäßig
erfassten Mutterschafen und Böcken in 12 Zuchtbetrieben (Stand 1.1.2008).
Der Gesamtbestand in Deutschland liegt bei rund 350 Tieren in 30
Betrieben. In einem mit verschiedenen Projektpartnern geplanten
Almweideprojekt im südöstlich Oberbayern soll diese Rasse unter ihren
natürlichen Bedingungen erhalten und gleichzeitig ein Zuchtindex für die
„Almtüchtigkeit“ entwickelt werden. Die
Bewahrung dieser Rasse wird nur gelingen, wenn weitere engagierte Züchter
sich für diese ursprüngliche und
interessante Rasse interessieren. In Bayern wird das Alpine
Steinschaf seit 1991 herdbuchmäßig geführt. Eine
wichtige Hilfe hierbei ist die staatliche Erhaltungsprämie in Höhe von
20,- € für jedes im
Herdbuch eingetragene Zuchttier. Von allen deutschen Schafrassen dürfte
das Alpine Steinschaf die zur Zeit am stärksten bedrohte Rasse sein. Mit
der Ernennung zur Rasse des Jahres 2009 durch die Gesellschaft zur
Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen in Deutschland soll diese
Rasse auch einem größeren Publikum vorgestellt werden. Weitere
Informationen gibt es auf der Internetseite www.alpines-steinschaf.de, die
der Züchter Eduard Noe zur Zeit sehr umfassend aufbaut, sowie bei der GEH
unter www.g-e-h.de.
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Kontakt: GEH-Geschäftsstelle,
Postfach 1218, 37202 Witzenhausen, Tel: 05542-1864, Fax: 05542-72560, GEH-Rassebetreuer: Kontakt
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