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Schwerpunkt - Schweine


1.7. Das Bunte Bentheimer Schwein

Hartmut Schröder, Hude


Entstehung

Aus der landwirtschaftlichen tierzüchterischen Literatur läßt sich entnehmen, daß es in Deutschland mindestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts vereinzelt schwarzbunte Schweine gab. Schon 1863 wurde eine internationale Ausstellung in Hamburg mit allen möglichen großen und kleinen, schwarzen, weißen, roten und bunten Schweinerassen beschickt. Im großen und ganzen aber war die weiße Farbe vorherrschend. Im Jahre 1857 entstand in Oberbaden das heute ausgestorbene Baldinger Tigerschwein.

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Bunte Bentheimer Sau (Foto: Antje Feldmann)

Grundlage war die Einkreuzung von Berkshireebern aus England in Kreuzungstiere von Bayerischen Halbroten Landschweinen und Einheimischen Weißen Landschweinen.

Auch in Norddeutschland war man zu dieser Zeit mit den Leistungen der derzeitigen Hausschweine offensichtlich nicht mehr zufrieden und begann schon um ca. 1840, in das sogenannte Marschschwein, eine Variante des europäischen Landschweins, frühreifere englische Schläge einzukreuzen. In den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts glaubte man stellenweise, mit der Reinzucht von Berkshires größere Erfolge zu erzielen als mit deren Kreuzungsprodukten. Da aber die hochgezüchteten englischen Tiere infolge ihrer hohen Futteransprüche die Schweinehaltung nicht gerade verbilligten, kreuzten viele Züchter diese wieder mit den robusteren Landschweinen oder mit Kreuzungstieren ein. Mit großer Wahrscheinlichkeit sind als dritte Rasse auch Cornwalls an der Entstehung nordwestdeutscher Schwarzbunter beteiligt. Als Entstehungsorte müssen die beiden heutigen niedersächsischen Landkreise Bentheim und Cloppenburg sowie das westfälische Wettringen angesehen werden. Es wurden jeweils die aus o. g. Kreuzungen fallenden bunten Ferkel mit Schlappohren zur Zucht weiterbenutzt. Aufgrund des beiden Rassen gemeinsamen Berkshire-Blutanteils glich das schwarzbunte Schwein Nordwestdeutschlands in seinen anatomischen und physiologischen Eigenschaften dem Baldinger Tigerschwein, mit dem Unterschied, daß das letztere Stehohren hatte.

Keine abgesicherte Erklärung gibt es für die Tatsache, daß bis auf den heutigen Tag ganz vereinzelt bei den Bunten Bentheimer Schweinen Ferkel mit gelb-rötlicher Farbe, die mit schwarzen Flecken durchsetzt sind, d. h. schwarz-gelbe Ferkel, vorkommen. Daß diese Farbabweichung auf Inzuchterscheinungen zurückzuführen sei, dürfte wohl nicht zutreffen, da diese Tiere außer der Farbabweichung keine anderweitigen Inzuchterscheinungen aufweisen. Wegen der Anfang unseres Jahrhunderts noch häufiger vorkommenden Freilandhaltung von Schweinen soll es gelegentlich zu ungewollten Bedeckungen von Wildschwein-Keilern gekommen sein, von denen die gelbliche Tönung herrühren könnte. Doch kann die gelbe Farbe auch auf eine frühere Einkreuzung von Tamworths zurückzuführen sein. Im Zuchtbetrieb Schröder wird derzeit sogar ein Jungeber dieser Grundfarbe eingesetzt, so daß zu erwarten ist, daß gelb-schwarze Ferkel in dessen Nachkommenschaft vermehrt, mitunter sogar homozygot, auftreten werden.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß das heutige Bunte Bentheimer Schwein um die Jahrhundertwende als Kreuzungsprodukt im Nordwesten Deutschlands entstanden ist.

Entwicklung

Wegen guter Fruchtbarkeit, Frühreife und Leichtfutterigkeit, ihres ruhigen Temperamentes, hoher Widerstandsfähigkeit gegen Witterungseinflüsse und nicht zuletzt wegen der schönen, ins Auge stechenden bunten Farbe der Ferkel fanden die Schwarzbunten von Beginn der Jahrhundertwende an schnell Verbreitung, begünstigt durch den Umstand, daß die Schweinezucht vor 1930 durchweg in den Händen der Bäuerinnen lag, welche vielfach eine besondere Vorliebe für die bunte Farbe entwickelten. Zum anderen verwertete das schwarzbunte Schwein die Abfälle der Küche und Hauswirtschaft vorzüglich und war deshalb besonders wirtschaftlich. In dieser Anfangsentwicklung eroberte es sich in kurzer Zeit für die Hausschlachtung, also dort, wo Einzelschweinhaltung üblich war, einen Käuferkreis, der sich vorwiegend aus Bergarbeitern des Ruhrgebietes, pensionierten Angestellten aus Stadtrandgebieten und ehemaligen Bauern, die ihren Hof hatten aufgeben müssen oder aus der Landwirtschaft abwanderten, rekrutierte. Das Interesse für das bunte Ferkel stieg derartig an, daß diese Ferkel nicht nur erheblich teurer bezahlt, sondern vom Handel sogar nur solche verlangt wurden und die Nachfrage nach weißen Ferkeln des veredelten Landschweins erheblich zurückging.

Die so auch für die Schwarzbunten "goldenen zwanziger Jahre" büßten ihren Glanz erheblich ein, als durch Verordnung des Regierungspräsidenten von Osnabrück im Jahre 1925 für die Ankörung von Ebern nur noch Vatertiere mit Abstammungsnachweisen zugelassen wurden und damit die gescheckten Eber mangels eines solchen automatisch von der Körung ausgeschlossen waren. Trotzdem hatte sich die Rasse bis zum Jahre 1933/34 derartig ausgebreitet, daß zum ersten Male eine Anerkennung der schwarzbunten Schweinerasse öffentlich gefordert, wegen der in den Merkmalen noch unausgeglichenen Tieren aber verweigert wurde. Zwar reagierten die Züchter zunächst durch den vermehrten Ankauf weißer veredelter Landschweineber, doch zahlte der Handel für schwarzbunte Ferkel nach wie vor höhere Preise, so daß sich viele über die Verordnung hinwegsetzten und illegal weiter schwarzbunte Eber zur Zucht einsetzen, die sie während des Naziregimes bei Kontrollen unter erheblichen Risiken sogar unter Heu, Stroh und Gerümpel verstecken mußten. In dieser Zeit wurden Eber heimlich von Nachbar zu Nachbar ausgetauscht und der Inzucht damit stark Vorschub geleistet. Zwar dem Erhalt der Rasse, nicht aber ihrer Qualität kamen diese Praktiken zugute.

Als 1949/50 das Körgesetz auf Erlaß der Regierung auf allen Gebieten wieder mehr beachtet und befolgt werden sollte, erging an die Eberhalter deshalb die Aufforderung, die nichtgekörten schwarzbunten Eber kastrieren zu lassen. Es hagelte Proteste der davon betroffenen Landwirte, und es war nunmehr der Zeitpunkt gekommen, endgültige Maßnahmen zu treffen, wenn man die bunten Landschläge erhalten wollte. Der landwirtschaftliche Verein Uelsen, Kreis Bentheim, stellte einen Antrag beim Tierzucht- und Köramt in Oldenburg, das Grafschafter bunte, platte und breite Landschwein mit in die Körung aufzunehmen.

Nachdem 1950 der Kreis Bentheim und wenig später auch der Kreis Cloppenburg für die Züchtung des schwarzbunten Schweins freigegeben worden war, erhielten 150 schwarzbunte nichtgekörte Eber vorübergehend eine Deckerlaubnis, andererseits wurden aus Angeln einige Sattelschweineber eingeführt, doch schon bald machte man die Erfahrung, daß das Angler Sattelschein züchterisch nicht zu dem bunten Schwein paßte. Die F1-Generation war teilweise schlechter und unausgeglichener als das mütterliche Ausgangsmaterial. Deshalb gab man den Einsatz von solchen Ebern auch schnell wieder auf, dennoch erklärt sich dadurch die im Jahre 1987 von Prof. Dr. Glodek nachgewiesene (geringgradige) genetische Ähnlichkeit zwischen Bunten Bentheimern und Angler Sattelschweinen.

Um möglichst bald Zuchtmaterial über die Grenzen des Zuchtgebietes absetzen zu können, gingen die Bestrebungen dahin, schon bald eine offizielle Anerkennung der schwarzbunten Schweinerasse zu erreichen. Erstmalig fand eine Besichtigung einiger Zuchten seitens der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) im Mai 1952 statt. Diese Vorprüfung brachte das Ergebnis, daß die offizielle Anerkennung auf Grund des vorgestellten noch sehr heterogenen Materials vorerst zurückgestellt werden mußte, die züchterische Arbeit zwecks Weiterentwicklung der bunten Landschläge jedoch fortgesetzt werden konnte. Nach einer zweiten Prüfung durch die DLG im Jahre 1955 wurden bei der Oldenburgischen Schweinezuchtgesellschaft und bei der Schweine-züchtervereinigung Osnabrück-Emsland jeweils Herdbuchabteilungen für das Bunte Schwein eingerichtet, damit war die Rasse schließlich anerkannt.

Niedergang

Es mag paradox erscheinen, aber zeitgleich mit der Anerkennung der Rasse und der damit verbundenen Aufnahme in das staatliche Herdbuch setzte auch ihr Niedergang ein. Grund dafür war der ab 1960 beginnende Prozeß, ein Schwein mit stärkerem Ansatz mageren Fleisches zu züchten. Dies wurde im Wege der sogenannten Verdrängungskreuzung unter Einsatz extremer Fleischrassen wie Pietrain und Belgische Landrasse bewirkt. Vermeintlichen Verbraucherwünschen wurde durch stetige Veränderung des Fleisch-Fett-Verhältnisses zugunsten der Fleischanteile entsprochen. Mit einer Fleisch-Fett-Relation von durchschnittlich 1:0,63 gegenüber durchschnittlich 1:0,22 extremer Rassen waren die Bunten Bentheimer Schweine für den konventionellen Mäster nicht mehr wirtschaftlich und wurden aus ihren Ställen verbannt. 1964 verschwand es dann auch aus allen Herdbüchern und galt für viele Jahre bereits als ausgestorben.

Erhaltung der Bunten Bentheimer

Als das niedersächsische Landwirtschaftsministerium im Jahre 1987 schließlich dem hartnäckigen Drängen des Bentheimer Landwirtes Gerhard Schulte-Bernd nachgab, der immer wieder behauptete, im Alleingang die Bunten Bentheimer erhalten zu haben, und einer wissenschaftlichen Blutanalyse zur Feststellung der Verwandschaftsbeziehungen dieser bunten Schweinepopulation zu anderen Rassen zustimmte, wird es wohl kaum jemand für möglich gehalten haben, daß es über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren gelungen sein sollte, mit einer Population von zuletzt 22 Sauen und 2 Ebern zu den anderen Schweinerassen einen so großen genetischen Abstand zu halten, der es rechtfertigte, diesen Restbestand als eigenständige Rasse ins Herdbuch zurückzuführen. Das Ergebnis dieser Untersuchungen, die Prof. Dr. Glodek in seiner Abteilung für Haustiergenetik der Universität Göttingen durchführte, muß auch heute noch als Sensation bewertet werden. Herrn Schulte-Bernd war es durch sein züchterisches Können und durch die Führung eines eigenen Zuchtbuches gelungen, seine "Schwarzbunten" in einem größeren genetischen Abstand zu den anderen Rassen zu halten, als diese zueinander aufwiesen.

Mit Rückführung der Rasse in das Herdbuch im Jahre 1988 gewährte das Land Niedersachsen den Herdbuchzüchtern eine Zuchterhaltungsprämie. Pro Wurf wurden zunächst 150 DM gezahlt. Eine Modifizierung der Förderungsbedingungen hatte dann jedoch fatale Folgen für die Erhaltungszucht. Nach einem von Prof. Glodek entwickelten Konzept werden jetzt nur noch für 30 der Herdbuchsauen Erhaltungsprämien gezahlt. Daraufhin ging der wieder auf 90 Sauen angestiegene Herdbuchbestand schlagartig auf eben diese 30 zurück. Nur noch fünf Züchter beteiligten sich an der herdbuchmäßigen Erhaltungszucht. Daneben gibt es bundesweit außerhalb des Herdbuches verschiedene Einzeltiere, deren nichtregistrierte Nachzucht aber für die Erhaltung der Rasse nicht mehr herangezogen werden kann, weil die Rassereinheit der Tiere nicht nachzuvollziehen ist. Die Gefahr von genetischer Veränderung durch Fremdbluteinfluß ist zu groß. Die Tierzahlen belaufen sich Ende 2006 auf 95 Sauen und 24 Ebern.

Ausblick

Weil in der konventionellen Vermarktung mit Robustschweinen keine Gewinne zu erzielen und Schlachttiere auf diesem Wege nicht abzusetzen sind, wird die Haltung von Bunten Bentheimer Schweinen auf einige Hobbyzüchter begrenzt bleiben, die zum großen Teil auch noch sehr weit voneinander entfernt wohnen, so dass der notwendige Zuchttieraustausch in dieser ohnehin äußerst geringen Population aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus meistens unterbleibt.

Eine funktionierende Direktvermarktung ist im erforderlichen Umfang mit Kleinstbeständen kaum realisierbar, da einerseits nur gelegentlich Tiere angeboten werden können und andererseits mangels eigener Werbemöglichkeiten und teurer Haltungsbedingungen, die vom Konsumenten bezahlt werden müssen, will man zumindest kostendeckend erzeugen, oftmals keine Nachfrage besteht. Erfreulicherweise wird das Bewußtsein für den Erhalt alter und gefährdeter Haustierrassen, nicht zuletzt auch durch das Engagement von Organisationen wie der GEH, zunehmend größer, doch ist das Interesse am Rasseerhalt bei den meisten ausschließlich ideeller Natur, Fleisch wird von ihnen entweder gar nicht konsumiert oder aber eben auch im billigeren Verbrauchermarkt gekauft.

Für das Bunte Bentheimer Schwein zeichnet sich eine weiter bedrohliche Entwicklung ab, an deren Ende ein Schicksal stehen könnte, welches u. a. dem Baldinger Tigerschwein schon vor Jahren widerfahren ist.

Literatur:

ZWICK; MARLIES (1990): Das Bunte Bentheimer Schwein. Diplomarbeit an der Gesamthochschule Kassel, GEH, Witzenhausen.

 


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