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Schwerpunkt - Schweine


1.4. Das Deutsche Sattelschwein

Martin Ehlich, Ruhlsdorf


Zuchtgeschichte

Bunte Schweinerassen waren nach 1945 im Osten Deutschlands im geringen Umfang anzutreffen. 1948 wurde in der Mitgliederversammlung der Vereinigung Deutscher Schweinezüchter (VDS) beschlossen, die Zuchtbestände des Angler Sattelschweins und des Schwäbisch-Hällischen Schweins in der sowjetischen Besatzungszone zu einer Rasse mit der Bezeichnung Deutsches Sattelschwein (DS) zusammenzufassen. Damit war die Erhaltung und Verbesserung dieser Rasse trotz der weitgehenden Isolierung zum Ursprungsland möglich. 1949 betrug der Herdbuchsauenbestand 1,3 %, gemessen an der gesamten Schweineherdbuchzucht, das waren 156 Sauen und 25 Stammeber in 23 Zuchten. Die Abstammung dieser Tiere war teilweise unbekannt.

Deutscher-Sattelschwein-Eber
Deutscher-Sattelschwein-Eber (Foto: Martin Ehlich)

Nach HOFFMANN und SCHEUER (1952) wurde den Züchtern die Aufgabe gestellt, durch Tausch und Ankauf sowie durch konsequente Zuchtauslese in einem Zeitraum von fünf Jahren einen Zuchtbestand zu schaffen, der allen Anforderungen des Zuchtzieles gerecht wird. Keine Zugeständnisse sollten die Zuchten in bezug auf die geforderten Leistungen in Fruchtbarkeit und Aufzuchtvermögen machen, da in diesen Leistungen der hohe Ruf der Sattelschweinzucht begründet liegt. Eine Sattelschweinzüchtertagung 1950 in Ludwigshof/Thüringen gab den Züchtern u. a. mit auf den Weg, "daß ein einzelner Züchter zwar im eigenen Bestand Fortschritte erreichen kann, er aber auf die Dauer nur durch rege Zusammenarbeit, durch häufigere, gegenseitige Kritik und eine ständige hilfsbereite Züchtergemeinschaft den Leistungsstand der Rassegruppe und damit seine eigene Zucht in angemessener Höhe halten kann". Eine noch heute gültige Feststellung!

In den 60er Jahren liefen alle Bestrebungen der Schweinezucht darauf hinaus, schnellstmöglich ein Fleischschwein zu schaffen. Damit verloren die fettreichen Schweinerassen, wie Cornwall, Berkshire und auch das Sattelschwein, ihre Existenzgrundlage. Erst 1969/70 wurden die verbliebenen Reste des Sattelschweins in einer Thüringer LPG gesammelt. Im Rahmen der Maßnahmen zur Schaffung der industriellen Tierproduktion wurden die vorhandenen Bestände erfaßt und als ein Kreuzungspartner für die Neuzüchtung einer leistungskombinierten synthetischen Rasse (L 250, später Leicoma) herangezogen. Seit 1970 wurde dann das Deutsche Sattelschwein als eine Ausgangsrasse für die L 250 sowie als Genreserve im Umfang von ca. 150 Tieren gehalten. Zwecks Erweiterung des Genpools 1972-1982 wurden drei Angler Sattelschweineber sowie eine größere Anzahl Prestizer Eber aus Tschechien in dieser Genreserve eingesetzt. Die Prestizer aber entsprachen farblich nicht dem Zuchtziel des Deutschen Sattelschweins und führten einen hohen Bestandteil Pietrain (ca. 25 %) im Blut. Das ist der Grund dafür, daß heute in vielen Würfen sogenannte Pietrainflecken auftreten. Züchterisch bedeutsam war das Tierzuchtgut Hirschfeld/Sachsen, das ca. 200 Sauen und 12 Eber bis 1992 als Genreserve hielt. Selektiert wurde in der 18jährigen Zuchtarbeit schwerpunktmäßig auf Fruchtbarkeit und Stabilität.

Tab. 1: Fruchtbarkeit und Aufzuchtleistung von Altsauen

Zeiträume

Reinzuchtwürfe

insg. geb. Ferkel/Wurf

aufgez. Ferkel/Wurf

kg Wurfmasse
21. Lebenstag

1976-80

1981-85

1986-90

1991

353

771

924

97

11,3

12,3

12,9

13,3

9,9

10,2

10,2

10,1

57,9

58,3

55,8

52,6

In den Jahren 1991-92 erfolgte die Auflösung des Tierzuchtgutes Hirschfeld und damit auch der Verkauf sämtlicher Sattelschweine. Dank der Mithilfe passionierter Züchter aus Angeln, Schwäbisch Hall, den neuen Bundesländern sowie der GEH konnten die wertvollen Zuchttiere (ca. 350 Schweine aller Altersgruppen) zum großen Teil angekauft und damit für die Zucht weiter genutzt werden.

Zuchtziel

Das Zuchtziel ist seit 1992 für alle Züchter der Sattelschweine (DS, AS, SH) bindend.
Zuchtziel ist eine widerstandsfähige, langlebige, milchergiebige Sau von sehr großer Fruchtbarkeit und mit besten Muttereigenschaften ausgestattet. Sie soll frohwüchsig und großrahmig sein, eine gute Futterverwertung sowie bei ausreichender Bemuskelung eine hervorragende Fleischbeschaffenheit aufweisen und für alle Haltungsformen einschließlich Weidehaltung geeignet sein. Dem MHS-Gentest sind alle Zuchttiere zu unterziehen. Für die Reinzucht sollten nur streßstabile, also NN-freie Tiere verwendet werden. An das äußere Erscheinungsbild werden folgende Anforderungen gestellt: mittellanger Kopf mit mäßig eingesatteltem Gesichtsprofil, die Stirn zeigt i. d. R. eine Runzelung, Schlappohren; lange breite Schulter und gute Verbindung, tiefe und breite Brust, Rücken zum Kreuz um etwa 5 cm gegenüber der Widerristhöhe ansteigend, Becken mäßig abfallend, aber breit, Schinken geräumig; Gliedmaßen gut gestellt, trocken und stabil; Gesäuge gut ausgeprägt und drüsig, nicht unter 14 gut entwickelte und gleichmäßig verteilte Zitzen; Vorderhand und Hinterhand schwarz, mit weißer Mittelhand, die Anteile "schwarz" und "weiß" können verschieden sein, weiße Haare auf weißer Haut, schwarze Haare auf schwarzer Haut, Säumungsstreifen beim Übergang weiße Haare auf schwarzer Haut; ausschließende Merkmale sind Blesse, schwarze Punkte, gänzlich schwarze Tiere; durchschnittlich 10 aufgezogene Ferkel je Wurf.

Aktuelle Situation (neuere Daten siehe unten)

Tab. 2: Bestände (Herdbuch und sonstige, 1996)

Land

Eber

Sauen

Brandenburg

Thüringen

Sachsen

Sachsen-Anhalt

Mecklenburg-Vorpommern

19

4

7

1

2

94

28

34

4

19

insgesamt

33

179

Der Bestand an Deutschen Sattelschweinen steigt seit etwa 3 Jahren. Diese Tendenz besteht hauptsächlich in Sachsen und Sachsen-Anhalt. Die größten Zuchtbetriebe des Sattelschweins sind das Gut Synanon Schmerwitz und die Landschaftspflege Rambower Moor Lenzen mit einem Bestand von 14 bzw. 19 Altsauen. Im wesentlichen wird die Zucht in Kleinbeständen mit wenigen Sauen betrieben. Ökologisch produzierende Betriebe halten Sattelschweine im Freiland für die eigene Vermarktung von Wurst und Fleisch. Insgesamt gibt es in den neuen Bundesländern 34 sattelschweinhaltende Betriebe, davon sind 20 aktive Züchter.

Der Anteil Reinzuchtpaarungen liegt etwa bei 40 %, 1995 wurden 226 Reinzuchtwürfe geboren. Von allen Ländern werden für die Erhaltung alter Nutztierrassen Fördermittel an die Herdbuchzüchter gegeben, so auch für das Deutsche Sattelschwein (je Reinzuchtwurf 150,- DM, je Stammeber bis zu 300,- DM/Jahr usw.).


Genealogie

Die Koordination des Ebereinsatzes in den vielen kleinen Zuchten betrachte ich als bedeutsam für die Erhaltung der Population und die Vermeidung von Inzuchtpaarungen. Dieser Aufgabe widme ich mich seit 1992 in meiner Eigenschaft als Sprecher der Sattelschweinzüchter. Des weiteren hat sich die jährliche zentrale Beratung der Sattelschweinzüchter Deutschlands in der LVAT Ruhlsdorf als hilfreich für die Festigung der Zusammenarbeit zwischen DS, SH und AS erwiesen. Zum Zeitpunkt der Auflösung der Hirschfelder Sattelschweinherde waren 1992 acht Genealogien im Eberbestand vorhanden. 1996 sind davon Dank der Mitarbeit passionierter Züchter und von Institutionen wie der LVAT Ruhlsdorf und der GEH noch sechs Genealogien erhalten worden. Das sind die Eberlinien P-Pilot 802670 mit 12 Ebern, H-Herro 802669 mit 6 Ebern, G-Golf 802648 mit 4 Ebern, S-Solten 802657 mit 5 Ebern, O-Opus 802671 mit 3 Ebern, V-Visant 802654 mit 3 Ebern. Im Zuge der Zusammenarbeit aller Sattelschweinzüchter werden auch Eber aus den Zuchtgebieten Schwäbisch Hall, Thüringen und Brandenburg eingesetzt, so der Eber Roller SH 217 und Herold SH 151. Aus diesen Ebern werden zwei neue Genealogien aufgebaut. In den Besamungsstationen Grimma, Stotternheim und Golzow sowie im Institut für Fortpflanzung landwirtschaftlicher Nutztiere steht jeweils ein Sattelschwein-eber für die Versorgung interessierter Züchter bereit. In letzterem Institut sind auch TG-Spermaportionen der Eber Sonol 40068, Soritz 40069 und Herzog 40067 verfügbar, alles Sattelschweineber aus der alten Hirschfelder Zucht. Zur Vermeidung von Inzucht wurde allen Züchtern nahegelegt, generell so zu paaren, daß zwei von Inzucht freie Generationen im Pedigree vorhanden sind.

Leistungen

Fruchtbarkeit
Die typischen hohen Fruchtbarkeitsergebnisse des Sattelschweins konnten nach dem Neuaufbau vieler kleiner Herden von 1992-96 nicht immer erzielt werden. Im 20jährigen Mittel wurden bei Altsauen (3008 Würfe 1970-91) 10,1 Ferkel je Wurf aufgezogen; heute sind es nur 9,3 Ferkel/Wurf. Durch die Verbesserung der Haltungsbedingungen, vornehmlich in den Betrieben mit Freilandhaltung, werden die Aufzuchtergebnisse verbessert werden können.

Eigenleistung
Sie wird nur in wenigen Betrieben (LVG Köllitsch, LVAT Ruhlsdorf) durchgeführt und hat daher nur informatorischen Wert (Tab. 3):
Z. B. - LVAT Ruhlsdorf 1995

9 Jungeber

188 Ltg

99,6 kg

531 g LTZ

13,0 SSP

46,7 MF

10 Jungsauen

182 Ltg

92,3 kg

508 g LTZ

15,7 SSP

-

Beim Bestandsaufbau war der MHS-Test zur Eliminierung des Streßgens wichtiger. So kann festgestellt werden, daß in Brandenburg alle Sattelschweine, die für den Rasseerhalt vorgesehen sind, den NN-Status haben.

Mast- und Schlachtleistung1995/96 sind in den Prüfstationen des Landes Brandenburg und Sachsen 43 Deutsche Sattelschweine mit folgendem Ergebnis geprüft worden (Tab. 4):

Alter Prüfende 1836 Tage
Prüftagszunahme 731 g
Futteraufwand 3,37 FUA/kg Zuwachs
Innere Länge 97,6 cm
Fleischfläche 36,1 cm2
Fleisch-Fett-Verh. 1:0,80
% Muskelfleisch (B) 51,0
pH1 K 6,33
LF1 K 3,87
Fleischfarbe 65,8
FBZ 88,0



Nach diesen Prüfungsergebnissen wird nicht selektiert, sie dienen der Information über den Leistungsstand der Population. Hervorzuheben ist die sehr gute Fleischqualität, gemessen werden die Parameter pH und LF.

Sattelschweinzüchter können vom Verkauf der Reinzuchttiere nicht leben, deshalb wurden 1990/91 Kreuzungspaarungen Sattelschwein x DE; BL; Pi-Eber betreffs Mast- und Schlachtleistung geprüft. Es konnte nachgewiesen werden, daß eine besonders gute Kreuzungseignung Pi x DS besteht. Das Fleisch-Fett-Verhältnis dieser Kreuzungstiere war besser, der Muskelfleischanteil lag bei 55 %, und es zeigen sich durchgängig gute bis sehr gute Fleischqualitäten (pH 1 Kot. 6.00-6,40, LF 1 Kot. 3,0-3,9).

Fazit

Die Robustheit, die guten Muttereigenschaften und die nachgewiesene gute Kreuzungseignung mit Pietrainebern sind günstige Voraussetzungen dafür, das Sattelschwein in alternativen Haltungsformen zu nutzen. Voraussetzung aber ist der Erhalt der vorhandenen Reinzuchtbasis und die enge Zusammenarbeit mit den Sattelschweinzüchtern in Schwäbisch Hall und Angeln.

Literatur:

GEIPEL, INA: Das Deutsche Sattelschwein. Diplomarbeit, Gesamthochschule Kassel, 1994. GEH, Witzenhausen.

MATHES, MAITE: Sattelschweine in Deutschland - Genanteile, Verwandtschaft, Inzucht. Dissertation, Tierärztliche Hochschule Hannover, 1996. GEH, Witzenhausen.

 

Aktuelle Situation (Koordinatorenbericht 2007 der GEH von Prof. Dr. Bernhard Hörning:

 

Das Deutsche Sattelschwein war 2007 die Gefährdete Nutztierrasse des Jahres der GEH. Auf dem Sattelschweintreffen gab es Berichte von für die Zucht verantwortlichen Vertretern aus Brandenburg und Sachsen (Frau Wicke, Frau Geschwender). In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern konnte die Rasse auf den Landwirtschaftsausstellungen präsentiert werden. (BraLa, MeLa). In Brandenburg gab es 2007 ein Züchtertreffen. Es gibt derzeit 19 Züchter (darunter einige neue) mit 23 Ebern aus 7 Eberlinien und 39 Alt- bzw. 8 Jungsauen. Allerdings handelt es sich ausschließlich um Kleinbestände (der größte hat 8 Sauen). Aus 34 Würfen ergaben sich Fruchtbarkeitsleistungen von 1,7 Würfen je Jahrmit 11,0 lebend geborenen und 9,8 aufgezogenen Ferkeln je Wurf. Zusätzlich liegen Daten von 20 Ebern und 46 Sauen aus der Eigenleistungsprüfung vor. Von Frau Dr. Wicke wurde ein Katalog der vorhandenen Zuchteber sowie eine Zuchtwertschätzung per BLUP erstellt. Verschiedene Zuchttiere sind erhältlich. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es Züchter, die mit der Haltung beginnen wollen. Tiere aus Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern werden ebenso wie die Angler Sattelschweine und Rotbunten Husumer im Herdbuch in Malchin geführt (HSZV). Die von Dr. Paulke vorgestellten Ergebnisse der Mast- und Schlachtleistungen aus der Brandenburger Mastleistungsprüfung erbrachten für das Deutsche Sattelschwein eine recht gute Fleischqualität , die aber nicht unbedingt besser als bei anderen Mutterrassen lag. Es gibt aber Hinweise auf deutliche Unterschiede in den Eberlinien, was künftig stärker in der Zucht berücksichtigt werden könnte. Allerdings ist es angesichts der geringen Bestände schwierig, pro Eber 8 Nachkommen zu prüfen.

Die Bestände in Sachsen gingen 2007 von 30 auf 25 Zuchtsauen zurück. Ferner sind nur 2 Züchter aktiv. 37 Würfe wurden gemeldet. Ein aktiver Partner ist das Lehr- und Versuchsgut der Universität Leipzig. Es sind 4 Eber im Herdbuch. Ferner stehen 2 Eber auf Besamungsstation (Grimma bzw. Stotternheim). In der Leistungsprüfanstalt Köllitsch wurden 207 11 Tiere geprüft (5 weibliche, 6 männliche). In Thüringen sind 53 Herdbuchsauen gemeldet. Hier sind die Förderungsbedingungen 2007 gut gewesen. 3 Betriebe halten 15,9 bzw. 8 Sauen. Informationen zu Aufzuchtleistungen liegen vor. Zusätzlich gibt es in Sachsen-Anhalt einen Züchter mit 2 Sauen. Künftig sollen die Herdbuchtiere aus Sachsen und Thüringen aufgrund der Fusionierung der Zuchtverbände in einem gemeinsamen Register geführt werden.


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