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Schwerpunkt - Pferde


Das Pferd, des Menschen treuer Gefährte


Prof. Dr. G. Biedermann, Witzenhausen

Kaum ein anderes Tier, der Hund ausgenommen, steht dem Menschen so nah, war mit der Entfaltung menschlicher Kulturen so eng verflochten wie das Pferd. Ohne Pferde lassen sich frühere große zivilisatorische Bewegungen der Menschheit kaum vorstellen. Auf dem Rücken von Pferden durchquerten und eroberten Menschen Kontinente. Wenngleich dem Menschen an Größe und Stärke überlegen, hat sich das Pferd diesem im Zuge der Domestikation unterworfen. Nur diesem Umstand ist es zu verdanken, daß dieses edle Geschöpf bis zum heutigen Tag erhalten blieb, anderenfalls hätte der Mensch es längst ausgerottet.

Urformen des Pferdes

Über die Abstammung der Pferde sind wir dank umfangreicher, aus verschiedenen Erdzeitaltern herrührender Skelettfunde gut unterrichtet. Als erster Vorläufer des Pferdes gilt der im Eozän vor 50 - 35 Mio. Jahren in Nordamerika und Europa existierende Eohippus, ein etwa fuchsgroßes Tier, das an den Vorderbeinen vier, an den Hinterbeinen fünf Zehen trug und sich in den tropischen und subtropischen Wäldern von weichen Blattpflanzen ernährte. Während der europäische Zweig des Eohippus im Oligozän vor 35 - 25 Mio. Jahren verschwand, vollzog sich in Nordamerika die anschließende Evolution bis zum Pliohippus des Pliozäns vor 10 - 3 Mio. Jahren und schließlich zum Pferd i.w.S. (Equus) im Pleistozän vor 3 Mio. - 10 Tsd. Jahren. Während dieser langen Zeiträume ereignete sich die Entwicklung vom Waldbewohner zum Steppentier. Damit gingen anatomische Veränderungen einher, die sich neben dem zunehmenden Größenwachstum u.a. im Erwerb größerer, schmelzfaltiger, für die Aufnahme und Verwertung auch härterer Gräser geeigneter Zähne sowie in der Verstärkung der mittleren Zehen bei gleichzeitiger Rückbildung der äußeren Zehen äußerten. Somit war die Voraussetzung zur Entfaltung hoher, der Arterhaltung dienenden Geschwindigkeiten der Fortbewegung geschaffen.

Möglicherweise infolge tiefgreifender Klimaveränderungen verschwanden die Equiden in Nordamerika gegen Ende des Pleistozäns, in dessen Verlauf sie nach Asien, und von dort nach Europa und Afrika emigrierten, wo sich die Entwicklung zu den verschiedenen Arten (Pferd, Esel, Zebra) fortsetzte.

Nach Amerika kehrte das Pferd erst im 16. Jahrhundert mit den spanischen Eroberern als Haustier zurück.

Domestikation

Das Wildtier Pferd begehrten die Menschen als Jagd- (Fleisch-) und Opfertier. Seine Überführung in den Haustierstand dürfte im Zeitraum 4000 - 3000 v. Chr. begonnen haben. Als Domestikationszentren werden die südosteuropäische Waldsteppe, Mitteleuropa und die sibirische Waldsteppe genannt. Die erste Nutzungsform bestand in der Fleischgewinnung; es folgten der Einsatz als Zugtier und schließlich, etwa ab 1500 v. Chr. als Reittier.

Handelsbeziehungen zwischen Völkern, Kriege und Völkerwanderungen sorgten dafür, daß Pferde nach ihrer Domestikation auch in Regionen gelangten, in denen sie als Wildtier nicht auftraten. Heute sind sie in allen Kontinenten zu finden.

Mit der Überführung der Pferde in den Haustierstand setzte eine neue Phase der Evolution ein, die nur noch zum Teil durch die Natur gesteuert, vorrangig aber von Menschen, der von ihnen gelenkten Selektion sowie der von ihnen geschaffenen künstlichen Umwelt bestimmt wurde. Damit waren tiefgreifende Veränderungen der Tiere verbunden, die die Körperdecke, Gestalt und Größe ebenso betrafen wie die physiologischen Leistungen der Organsysteme und das Verhalten.

Als einzige Ausgangsform der Hauspferde kann Equus przewalskii angenommen werden. Frühere Auffassungen von weiteren Stammformen des Pferdes können als widerlegt gelten. In der freien Wildbahn sind Wildpferde ausgestorben; sie leben seitdem nur mehr in zoologischen Gärten fort.

Rassenbildung

Die verschiedenartigen natürlichen Bedingungen in den Verbreitungsgebieten der Wildpferde prägten bereits voneinander abweichende Typen, die sich auf die aus ihnen hervorgegangenen Hauspferde niederschlugen, womit der Beginn einer Rassenbildung gegeben war.

Die Anpassung der Hauspferde an neue Lebensräume sowie die unterschiedlichen Nutzungsbestrebungen pferdehaltender Menschen und die davon abhängigen Zuchtziele und Selektionsrichtungen haben schließlich die große Vielzahl an Pferderassen entstehen lassen. Diese unterscheiden sich sowohl hinsichtlich ihres Exterieurs als auch ihrer vorherrschenden Leistungs- und Fortbewegungsarten.

Infolge von Änderungen der Nutzungsschwerpunkte und Zuchtziele wurden die Rassen ständig, vielfach mittels Veredelungskreuzungen, einem starken Wandel unterzogen oder durch andere Rassen, teilweise auf dem Weg der Verdrängungskreuzung, abgelöst. Die Rassenlandschaft stellte sich somit stets als höchst dynamisches Gebilde dar.

Nutzungsrichtungen

Jedermann kennt das heutige Pferd als Reit- und Sportpferd, u.U. auch als Wagenpferd. Tatsächlich umspannt seine Nutzung sehr viel mehr Bereiche. Über viele Jahrhunderte waren Pferde entscheidende Grundlage der Kriegsführung, sei es vor dem Kampfwagen der Antike, sei es als Reit- oder Zugpferd. Weltgestaltende Vorgänge der Geschichte wären ohne Pferde nicht denkbar gewesen. Mit dem 2. Weltkrieg fand der Einsatz der Pferde im militärischen Bereich ein Ende. Nicht minder bedeutsam war ihre Verwendung als Zugkraft, vorrangig in der Landwirtschaft, aber auch in der übrigen Wirtschaft (Transport, Verkehr, Bergbau). Die Motorisierung führte insbesondere in den Nachkriegsjahren innerhalb dieser Wirtschaftszweige zum Verzicht auf Pferde. Lediglich in der Waldwirtschaft besinnt man sich erneut zunehmend ihrer Vorteile gegenüber den Motorfahrzeugen.

Zur Fleischgewinnung spielen Pferde nur mehr eine untergeordnete Rolle. Zunehmende Bedeutung scheint hingegen die Stutenmilcherzeugung für medizinische Zwecke zu gewinnen. Der Einsatz von Pferden zur Serumproduktion sowie im Rahmen des therapeutischen Reitens verdient wenigstens am Rande Erwähnung.

Im Vordergrund steht heute die Nutzung als Reittier, sei es im Bereich der Freizeitgestaltung oder im Rahmen sportlicher Disziplinen (Springen, Dressur, Vielseitigkeitsreiterei, Rennen). Zunehmender Beliebtheit erfreut sich zudem der Fahrsport.

Entwicklung der Pferdezucht

Die europäischen Pferdezuchten lassen sich in ihrer überwiegenden Mehrheit auf bodenständige Ursprünge zurückführen. Die meisten unter ihnen gerieten früher oder später unter den Einfluß orientalischen, vornehmlich arabischen Blutes. Dies trifft insbesondere für die Entwicklung des Englischen Vollblutes zu, aber auch für alle Warmblutrassen, die zusätzlich dem intensiven Veredelungseinfluß seitens englischer Vollblüter unterliegen.

Der Wandel der Geschichte bestimmte während der zurückliegenden Jahrhunderte die vorherrschenden Zuchtziele. Das Mittelalter und sein Rittertum prägten die Bevorzugung des schweren Ritterpferdes, das in der Neuzeit, unter dem Einfluß des Wandels der Kriegsführung und veränderter Waffentechnik dem leichteren, beweglicheren Kavalleriepferd zu weichen hatte. Die Intensivierung der Landwirtschaft um die Jahrhundertwende führte die starke Belebung des schweren Kaltblutpferdes nach sich, das bis in die Jahre nach dem 2. Weltkrieg größte Bedeutung behielt. Mit der Motorisierung von Landwirtschaft, Transportwesen und Industrie setzte der Niedergang der Pferdezucht ein, die schließlich in den 70er Jahren ihren bedrohlichen Tiefststand erlangte.

Der Entfaltung des allgemeinen Wohlstandes ist es zu verdanken, daß sich zunehmende Bevölkerungskreise dem Pferdesport zuwandten, womit sich der erneute erfreuliche Aufschwung der Pferdezucht verband.

Die Natur sowie Jahrhunderte währende Zuchtarbeit haben uns nicht nur ein Nutztier und lebendes Kulturgut, sondern auch einen in guten wie in bösen Tagen treuen Gefährten überliefert. Trotz züchterischer Gestaltung des Pferdes durch den Menschen bleibt es ein Wunderwerk der Natur, das sich uns in unübersehbarer Vielfalt an Formen, Größen und Farben darstellt. Diese zu erhalten und den Nachkommengenerationen zu bewahren, ist unsere Aufgabe und gebietet die Ehrfurcht vor dem Erbe unserer Vorfahren.


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