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Schwerpunkt - Pferde


Esel - ein geschichtlicher Überblick


Kerstin Siegmann, Witzenhausen

Zur Gattung Equus gehören folgende sechs Arten:

Der Halbesel

Der Halbesel Equus hemionus entstand im Pleistozän (vor ca. 1-2 Mio. Jahren). und kam bis ins Neolithikum (ca. 6.000-1.800 v.Chr.) in Mittel- und Osteuropa vor. Die Halbesel oder Pferdeesel waren bis in historische Zeit zahlreich und in Nordafrika, auf der Arabischen Halbinsel und in Eurasien weit verbreitet. Heute existieren nur noch einige Populationen in Asien.

Der Wildesel

Wildesel leben in trockenen Gebieten im bergigen, hügeligen Gelände (Steinwüsten). Sie haben steil gestellte Ohren, schmale Hufe und sind sehr trittsicher. Auch die großen Ohren sind eine Anpassung an das Habitat, damit sie im unübersichtlichen Gelände Gefahren wie Steinschlag oder Feinde gut hören können. Im Gegensatz zu den steppenbewohnenden Pferden flüchten sie nicht kopflos alle in eine Richtung, das wäre im unwegsamen Gelände gefährlich. Jedes Tier überprüft selbst die Lage, schlägt dann seinen eigenen Weg ein oder greift mit den Vorderhufen den Feind an. Die Wildesel machen lange Wanderungen zu Wasserstellen und können 2 - 3 Tage ohne Wasser auskommen. Sie leben in losen, kleinen Verbänden, z.T. auch allein und kommen mit sehr kärglicher Nahrung aus.

Vom Wildesel zum Hausesel - Domestikation

Als Stammform wird der nubische Wildesel, Equus a. africanus betrachtet. Halbesel gehören sicher nicht zu den Vorfahren der Hausesel, da die Nachkommen bei einer Anpaarung mit Wildeseln unfruchtbar sind.

Bereits am Anfang des 4. Jahrtausends v. Chr. wurden in Ägypten Esel als Haustiere gehalten. Sie zählten zu den ältesten Haustieren des Menschen.

Wahrscheinlich zähmten die Menschen damals Fohlen, die sie bei der Jagd auf die Elterntiere einfingen. Die erwachsenen Wildesel sind sehr schnell, bis zu 70 km/h, und damit nicht leicht zu erjagen oder einzufangen.

Der Esel als Lasttier der frühen Nomaden

Es wird angenommen, daß der Esel von Anfang an vorwiegend oder ausschließlich als Lasttier genutzt wurden, so wie es noch heute bei den Nomadenvölkern Afrikas üblich ist. Er löste so die Rinder ab, die neben ihrer Nutzung als Fleischlieferanten auch als Lastenträger benutzt worden waren. Die Esel wurden den Menschen so wertvoll und z.T. mit religiösen Verboten belegt - daß ihr Fleisch in den meisten Kulturen nicht als Nahrungsquelle diente.

Zum Reiten saßen die Menschen seitlich auf dem Rücken der Tiere oder rittlings hinten auf der Kruppe. Die Esel wurden geführt, von hinten getrieben oder gingen frei in der Gruppe. Auch dies ist eine Besonderheit, die aus dem Verhalten der Esel resultiert. Man kann sie allein oder in Gruppen frei den Weg entlang ziehen lassen, ohne sie zu führen oder aneinander zu binden.

Kamele wurden erst spät, ca. 1.500 v. Chr. als Last- und Reittier eingeführt, und sie übernahmen allmählich einen Teil der Aufgaben der Esel.

Esel als Haustiere in Europa

Zur Zeit Homers (ca. 800 v. Chr.) waren Esel in Griechenland schon gut bekannt, wurden jedoch selten gehalten. Zur Zeit des Aristoteles (ca. 300 v. Chr.) war der Esel schon ein allgemein verbreitetes Tier für Haus- und Feldarbeit. Der Esel wurde im antiken Griechenland als besonders brünstig-sinnlich empfunden und war neben dem Ziegenbock Symbol für Sexualität schlechthin. O. Keller in „Die antike Tierwelt" schreibt dazu 1909: „Der wilde Esel und auch der einheimische zahme Esel des inneren Kleinasiens zeichneten sich aus durch Lustigkeit, Schnelligkeit, Üppigkeit und waren sonach das richtige Tier für den liebestollen rauschliebenden Dionisos und sein Gefolge von Silenen und Satyrn, (...)."

Die Eselmilch wurde bei den Griechen sehr geschätzt, auch Hippokrates (ca. 400 v. Chr.), der „Vater der Medizin", empfiehlt sie bei unterschiedlichen Leiden. Sie hat eine der menschlichen Milch sehr ähnliche Zusammensetzung. Auch Eselmist wurde zu den verschiedensten Zwecken empfohlen, z.B. zur medizinischen Verwendung und zum Düngen.

In Athen gab es einen separaten Markt für Eselfleisch. Aus Esel- und Hundefleisch machte man Würste. Das Eselfleisch wurde anscheinend nur von den Ärmsten gegessen.

Esel und Maultiere hatten im Römischen Reich große Bedeutung. Sie wurden innerhalb Italiens in fast allen gesellschaftlichen Bereichen genutzt, aber ihr Ansehen war gering und sie wurden nicht gerade gut behandelt. Es gab allerdings wie in Griechenland Gebiete mit hochstehender Esel- und Maultierzucht und beste Maultiere und Zuchtesel brachten viel Geld ein. Mancher Besitzer einer guten Eselin konnte an ihrer Nachzucht mehr verdienen, als an einem mittleren Landgut. Deckzeit war etwa zur Sommersonnenwende. Wie Plinius schreibt, wurden die Stuten nach dem Decken durch Schläge zum Laufen angetrieben, da sonst die Gebärmutter den befruchtenden Samen wieder von sich gibt.

Als Futter für die Zuchttiere wurde Dinkel- und Gerstenkleie empfohlen. Die trächtigen Stuten sollten nicht arbeiten, weil sie sonst minderwertige Fohlen zur Welt bringen würden. Sie wurden wie die Pferde auf guten Talweiden gehalten. Die Hengste dagegen sollten ständig arbeiten, um ausgeglichen und gesund zu bleiben. Im Winter blieben sie im Stall, wurden gut gefüttert und gepflegt.

Nutzung der Esel

Der Esel war in erster Linie das universell eingesetzte Arbeitstier in den kleinen, fast gärtnerischen Landwirtschaften der Mittelmeerländer.

Sie trieben den Brunnen an, die Mühle, um die sie stundenlang herumtrotteten. Sie trugen die Lasten im Weinberg, im Olivenhain, zu den Märkten und wurden mit dem Geringsten gefüttert, was es gab - mit Kleie, kleingehacktem Stroh, Dornen und Disteln.

Auf leichteren Böden wurden Esel auch zum Pflügen eingesetzt. Sie wurden auch vor Wagen gespannt, um auf den Straßen Güter zu transportieren. Auch die römische Post und die Armee arbeiteten mit Esel.

Die Milch der Esel war auch bei den Römern sehr geschätzt. Die viel erwähnte dritte Frau Neros badete sich in der Milch ihrer 500 Eselstuten, um sich einen schönen weißen Teint zu erhalten.

Aus Deutschland gibt es Funde von Hauseselknochen ca. 200 n. Chr. aus Kempten und aus Württemberg. In Heidelberg wurden in Gräbern Eselskelette gefunden, denen man eine Münze ins Maul gelegt hatte, damit der Tote das Fährgeld über den Fluß, hinter dem die Unterwelt lag, bezahlen konnte.

Nach dem Zerfall des Römischen Reiches ist in Mitteleuropa die Eselhaltung deutlich zurückgegangen. Erst nach der Jahrtausendwende gab es wieder Esel in größerer Zah. Mönchsorden brachten sie aus Italien mit und trugen sehr zu ihrer Verbreitung in Mitteleuropa bei.

Der Mülleresel

Eng verbunden war die Eselhaltung in Mitteleuropa mit dem Müllergewerbe. Sie mußten die Korn- und Mehlsäcke für die Müller zur Mühle schleppen. Die übliche Last dieser kleinen Esel, lag bei drei Zentnern.

Der Umstand, daß der Mülleresel von Südeuropa über Deutschland, Frankreich, Belgien bis hin nach England und Irland als solcher bekannt war, gibt Anlaß zu der Annahme, daß es sich weniger um eine Rasse als vielmehr um einen bestimmten kleinen Typ von Esel gehandelt hat, dessen Arbeitskraft allerorts auf ganz ähnliche Weise genutzt wurde. Ihre Widerristhöhe liegt bei 80 bis 110 cm Stockmaß, ihre Färbung ist meist grau mit Aalstrich, Schulterkreuz und dunklen, zebrierten Beinen.

Schon die Verwendung des Mülleresels im hölzernen Laufrad der Mühlen setzt der Körpergröße natürliche Grenzen. Darüber hinaus galt der Esel als das Pferd des kleinen Mannes,der sich den Luxus eines in jeder Hinsicht weit anspruchsvolleren und immer aus einer Hochzucht stammenden Riesenesels schon aus finanziellen Gründen nicht leisten konnte, ganz abgesehen von dem Platzbedarf eines solchen Tieres. Nach Angaben verschiedener Autoren lebte der Mülleresel mit der Familie seines Besitzers nicht nur unter einem Dach, sondern z.T. in demselben Raum und gelegentlich soll der schlaue Esel sogar die Leiter zum Kornspeicher hinaufgestiegen sein.

Mit der Zeit änderten sich die Bedingungen für die Esel- und Maultierzucht. Im 19. und 20. Jahrhundert wurden befahrbare Straßen ausgebaut, der Transport von Lasten und Reisenden wurde schneller und billiger. Dadurch wurde die Bedeutung der Lastesel in Mittel- und Nordeuropa geringer. In Südeuropa blieb der Esel in weiten Gebieten das allgemein genutzte Arbeitstier, aber die Nachfrage nach großen und schweren Maultieren zum Ziehen und Ackern stieg. Maultiere spielten in allen gebirgigen Gegenden als Saumtier eine Rolle und wurden in größerem Umfang von der Armee verschiedener Länder benutzt.

Maultiere

Wann und wo genau eine gezielte Maultierzucht, die Artkreuzungen von Pferdestuten mit Eselhengsten einsetzte, ist nicht bekannt. Die verschiedenen Equidenarten, also auch die Pferde und Esel, pflegen in freier Wildbahn keine sozialen Kontakte und paaren sich nicht. In Gefangenschaft kommt es zu Kontakten, bei der Paarung müssen die Menschen in den meisten Fällen behilflich sein.

Durch die Verschiedenheit der Arten kommt es zu einem recht starken Heterosis-Effekt, die Nachkommen sind gesünder, langlebiger und leistungsfähiger als die Elterntiere. Maultiere können sehr alt werden. Plinius berichtet von einem schriftlich beglaubigten Fall in Athen, daß dort ein Maultier 80 Jahre alt geworden sei

Die Nachkommen der Kreuzungstiere sind in den meisten Fällen unfruchtbar. Daher müssen die Maultiere und Maulesel (Artkreuzung von Eselstute mit Pferdehengsten) immer wieder neu aus den zwei Arten gekreuzt werden.

Eselzucht

Der Zucht und Verbesserung der Esel schenkte man im frühen Mittelalter fast keine Aufmerksamkeit. In manchen Gegenden Europas, z.B. in Spanien, Italien und Frankreich wurde begonnen, größere, bessere Eselrassen zu züchten. Dies hatte als Grundlage für die Maultierzucht in den südlichen Ländern Europas eine große Bedeutung.

In Frankreich wurde in der Gegend von Poitiers z.B. ab dem 10. Jahrhundert Riesenesel zur Maultierzucht gezüchtet (Poitouesel).

Die Esel in Süd- und Mitteleuropa wurden allgemein schlecht behandelt und gepflegt, zu früh zur Zucht und Arbeit benutzt, überanstrengt und mißhandelt. Daß dabei viele gute Eigenschaften des Esels auf der Strecke blieben und sie klein, unscheinbar und unwillig wurden, verwundert nicht.

Ein Franzose beschreibt im Jahr 1600 präzise, wie ein Esel zu sein hat: sie sollen groß sein, aber niedrig auf den Beinen stehen, starke, sehnige Beine, harte Hufe, runde Kruppe und Schenkel haben, mit weichem, glänzendem Haar ausgestattet sein, das schwarz oder grau mit schwarzen Ringeln sein sollte.

Auch in Deutschland wurden im 19. Jahrhundert Maultiere gezüchtet. Die Maultiere wurden in der Landwirtschaft wie Acker- und Zugpferde benutzt und bis Mecklenburg und in preußische Provinzen verkauft. Als einige Gestüte ab ca. 1870 nicht mehr bereit waren Eselhengste aufzustellen, ging die Maultierzucht erheblich zurück.

Mit der Motorisierung endete in Deutschland, in Großbritannien und in vielen anderen Gegenden die Verwendung von Eseln, wie auch die von Maultieren und Pferden. Nur wo sie nicht mit Motorfahrzeugen konkurrieren mußten, konnten sich Esel und Maultiere halten.

Seit den 70er Jahren steigt die Zahl der Esel in einigen Ländern Europas wieder. In England, Deutschland und der Schweiz werden Esel inzwischen von vielen Leuten als Haustiere gehalten, einfach zur Gesellschaft oder zum Reiten und Fahren.

Warum Esel in den meisten Ländern so gering geachtet wurden und werden, ist immer noch schwer zu beantworten. Tatsache ist, daß Esel kluge, feinfühlige Tiere sind, die mit einer großen Anpassungsfähigkeit und Belastbarkeit ausgestattet sind. Diese Eigenschaften haben die Menschen in vielen Fällen bis über die Grenzen ausgenutzt und mißbraucht. Vielleicht werden die Esel gerade deswegen verachtet. Auf liebevollen Umgang mit Sachverstand und Respekt haben die Maultiere und Esel immer mit besseren Leistungen, mit Willigkeit und Freundschaft geantwortet.


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