Die Gefährdete Nutztierrasse des Jahres 2007Foto: Kinzelmann
Das Murnau-Werdenfelser Rind

Dr. Hans-Dieter Link, Amt für Landwirtschaft und Forsten, Weilheim


Zuchtgeschichte

Die „Murnau-Werdenfelser“, wie sie kurz genannt werden, sind eine der ältesten Rinderrassen der Welt, die ausschließlich in Bayern – und hier vorwiegend im Werdenfelser Land – gehalten werden. Über Herkunft und Entstehung gibt es keine exakten Nachweise.

Die einen führen die Abstammung auf eine Kreuzung von einheimischem Vieh mit dem Allgäuer zurück, die anderen sehen im Murnau-Werdenfelser Rind eine Kreuzung, die aus den Mürztalern und dem früher im Werdenfelser Gebiet gezüchteten einfarbig grauen Gebirgsvieh hervorgegangen und später mit Graubündnern und Montafonern verbessert worden sein soll. Die Abstammung von den Mürztalern wird in Beziehung mit den Zisterziensermönchen gebracht, die seinerzeit sowohl im Mürztal wie auch im nahen Tirol Besitzungen hatten und die unter ihren vielen Gütern häufig Zucht- und Nutzvieh austauschten. Von Tirol aus seien dann die Mürztaler nach dem Werdenfelser Land gekommen und zur Verbesserung des dort heimischen Viehschlages verwendet worden.

Auf der Suche nach einer „besseren Rasse“ erfüllte der Murnau-Werdenfelser genau die Erwartungen vieler Bauern. Er war genügsam und anspruchslos und in der Milch- wie Fleischleistung den damaligen Ansprüchen entsprechend. Vor allem brachte der Murnau-Werdenfelser die berühmten, gängigen, schweren Zugochsen, in jener Zeit für viele Betriebe die Haupteinnahme aus dem Viehstall. Kein Wunder, dass ein „Run“ auf die neue berühmte Rasse einsetzte und im Jahr 1880 im Bezirk Weilheim von den 22 000 vorhandenen Tieren bereits 16 000 den Murnau-Wer-denfelsern angehörten. Inmitten des Fleckviehs im Osten, des Allgäuers im Westen drang der Murnau-Werdenfelser schnell nach Norden vor. Bald hatte er eine Ausdehnung von Garmisch bis Kochel, Starnberg und Landsberg erreicht.

Doch der Siegeszug war nur von kurzer Dauer. Zu schnell und ohne System hatte sich die Rasse ausgebreitet. Der raschen Ausdehnung konnte die Stiererzeugung nicht mehr folgen. Besonders nachteilig wirkte sich gerade die Stärke der Murnau-Werdenfelser – Produktion bester Gangochsen – für die Zuchtentwicklung aus, denn im Hauptzuchtgebiet, in Garmisch, wurden die meisten und sehr häufig auch die allerbesten anfallenden Stierkälber zur Ochsenaufzucht verwendet. Dadurch gingen die guten, zum Aufstellen besonders geeigneten Stierkälber der Zucht verloren. So war man gezwungen, zeitweise Ellinger-, Franken-, Allgäuer- und Montafoner-Stiere zu verwenden, wodurch im Weilheimer und Starnberger Bezirk erst recht ein Durcheinander in den verschiedensten Farbbildern entstand. Nur im Bezirk Garmisch und um Murnau ist man, von einigen Ausnahmen abgesehen, mehr oder weniger im Blut rein geblieben.

Anspruchsvolleren Züchtern genügte deshalb auf die Dauer der mit allerlei anderem Blut durchsetzte Murnau-Werdenfelser Viehschlag vor allem deswegen nicht mehr, weil nur sehr schwer die guten und reinblütigen Stiere erhältlich waren. Allgemein war man also wieder auf eine Umstellung des Viehschlages bedacht. Die Wahl fiel bei den Züchtern des Westens auf das Allgäuer Vieh, das als einfarbig graubraunes Gebirgsvieh bekannt, für damalige Verhältnisse schon gut durchgezüchtet war und bei dem keine Schwierigkeiten in Bezug auf Nachersatz an Stieren vorhanden waren. Im Osten des Bezirkes behauptete sich dagegen das Fleckvieh. Diese Tatsache, dass das Allgäu und die Schweiz ein gutes züchterisches Hinterland boten, die einem Stiermangel von vornherein ausschlossen, darf als der Grund dafür angesprochen werden, der gegen Ende des vorletzten Jahrhunderts zahlreiche Landwirte im Bezirk Weilheim den Übergang zum Allgäuer Viehschlag erwägen ließ.

So wurde dem weiteren Vordrängen und der größeren Ausbreitung des Murnau-Werdenfelser Viehschlages ein Riegel vorgeschoben und der Murnau-Werdenfelser wieder in sein Ausgangsgebiet Murnau-Garmisch zurückgedrängt. Hinzu kommt, dass ab dem 20. Jahrhundert verstärkt auf Hochleistung gezüchtet wurde und so die Murnau-Werdenfelser durch das Braunvieh von Westen und das Fleckvieh von Osten in Bedrängnis gerieten.

Am 7. Januar 1901 wurde der Zuchtverband für einfarbiges Gebirgsvieh in Oberbayern mit dem Sitz in Weilheim gegründet. Am 30. Dezember 1952 gründeten dann die Murnau-Werdenfelser Züchter für ihre Rasse einen eigenen Verband, den „Zuchtverband für das Murnau-Werdenfelser Vieh“ in Weilheim. Diesem Zuchtverband sind heute neun Herdbuchbetriebe mit 116 Kühen angeschlossen. Im Jahre 2005 waren in ganz Bayern 148 Kühe der Milchleistungsprüfung unterstellt.

Aktueller Stand der Zucht

Da die kleine Population bei Besamung und Natursprung nur auf drei Blutlinien zurückgreifen kann, wurde Anfang 2005 von den Züchtern entschieden, erneut die phänotypisch sehr ähnliche französische Rasse „Tarantaise“ einzusetzen. Tarantaise-Sperma wurde bereits 1986 eingesetzt (allerdings nur in geringem Umfang) und brachte damals eine Verbesserung im Wuchs und eine Steigerung der Milchleistung.

Da die Rasse Murnau-Werdenfelser nicht auf eine Teilpopulation in einem anderen Land zurückgreifen kann, um Problemen der Inzucht zu entgehen, bleibt nur die Möglichkeit, mit anderen Rassen zusammen zu arbeiten.

Im Rahmen eines Forschungsauftrages („modellhafte Entwicklung und Erprobung eines neuen Zuchtprogammes“ für die Rasse Murnau-Werdenfelser auf der Grundlage molekular genetischer Charakterisierung) wird deshalb geprüft, in wie weit die Murnau-Werdenfelser dem Tiroler Grauvieh, der Rasse Murbodner und der Rasse Tarantaise ähnlich sind.

Rasseportrait

Zuchtziel

Murnau-Werdenfelser werden als Doppelnutzungsrasse Milch und Fleisch gezüchtet. Die Milchleistung liegt bei ca. 4500 kg bei ca. 3,75 % Fett und 3,36 % Eiweiß. Die Milch von Murnau-Werdenfelsern weist eine sehr gute Käsereitauglichkeit auf. Bei den genetischen Varianten der Milchproteine hat die Rasse die größte Vielfältigkeit von allen Rinderrassen aufzuweisen. Murnau-Werdenfelser haben die mit Abstand höchste Frequenz aller deutscher Rinderrassen beim beta-Laktoglobulin D; einmalig ist das Vorkommen des beta-Laktoglobulin W. Die Schlachtausbeute der Jungbullen beträgt 59 % bei einem Fleischanteil von über 70 %. Auffallend ist die gute Ausprägung der Rückenmuskulatur. Murnau-Werdenfelser sind genügsam und vital mit harten Klauen und hoher Belastbarkeit der Gelenke. Die Rasse ist ideal für die Nutzung von feuchten Standorten, mit rauem Klima, hohen Niederschlagsmengen und steilen Weideflächen. Die Tiere sind langlebig und fruchtbar.

Murnau-Werdenfelser sind eine autochthone Rinderrasse – immunologische Untersuchungen haben dies bestätigt -, die wegen ihrer speziellen Eigenschaften als Kulturgut erhalten werden muss.

Rassetypische Merkmale

Foto:Kinzelmann

 

Kühe

Bullen

Gewicht (kg)

500 – 600

850 -950

Widerristhöhe (cm)

128 – 138

138 - 148

Ø Geburtsgewicht (kg)

36

38

Die Haarfarbe ist braungelb, strohgelb bis fast schwarz.

Das Flotzmaul ist schwarz mit heller Umrahmung.

Die Hörner sind hell und haben dunkle Spitzen.

Die Schwanzquaste ist schwarz.

Auf dem Rücken ist ein heller Streifen.

Ausreichend bemuskelte Hinterhand.

Korrekte trockene Gelenke, klar Sprunggelenke, schwarze harte Klauen.

 

Ansprechpartner

Rassedachverband

Arbeitsgemeinschaft Süddeutscher Rinderzucht- und Besamungsorganisationen e.V.,
Haydnstraße 11, 80336 München
Internet: www.asr-rind.de
Email: rinderzucht@t-online.de

Anerkannte Züchtervereinigung

Weilheimer Zuchtverbände e.V.
Zuchtverband für Murnau-Werdenfelser-Vieh, Wessobrunner Str. 18, 82362 Weilheim
Internet: www.zv-weilheim.bayern.de
Email: zuchtverband.weilheim@alf-wm.bayern.de

Ausgewählte Literatur

Augustini, C., F. Pirchner, H. Eichinger, N. Reinsch und J. Kögel (1998): Fleischleistung der gefährdeten bayerischen Rinderrassen. 2. Mitteilung: Fleischqualität. Züchtungskunde 70, 328-337.
Bärlehner, C. (1933): Bullen-Stammbuch des Zuchtverbandes für einfarbiges Gebirgsvieh in Oberbayern. Verlag Bayer. Tierzuchtinspektion Weilheim. S. 6 ff.
Buchberger, J., I. Krause, Ch. Biechl (1996): Eine Milch mit hoher Käsereitauglichkeit. Unser Land-Arche Nova, 2, 27-28.
Graml, R., D.O. Schmid, L. Erhard, J. Buchberger, G. Ohmayer und F. Pirchner (1986): Verwandtschaft des Murnau-Werdenfelser Rindes zu anderen Rassen. Bayer. Landw. Jahrbuch, 63, 273-281.
Kögel, J., N. Reinsch, W. Kustermann, H. Eichinger, G. Thaller und F. Pirchner (1997): Fleischleistung der gefährdeten bayerischen Rinderrassen. 1. Mitteilung: Mastleistung, Schlachtertrag und Schlachtkörperqualität. Züchtungskunde 69, 244-253.
Kronacher, E. (1909): Einige Worte zur Vergangenheit und Zukunft des Werdenfelser Rindes. Südd. Landw. Tierzucht, 4, 44.
Lydtin, A. und H. Werner (1899): Das deutsche Rind. Unger Druck, Berlin.
Sambraus, H.H. (1994): Gefährdete Nutztierrassen. E. Ulmer Verlag, Stuttgart, 208-213.
Süskind (1908): Der Murnau-Werdenfelser Viehschlag und seine Zukunft. Südd. Landw. Tierzucht, 3, 45, 361-363.

(aus: GEH-Broschüre "Rinderrassen")


GEH-Rassebetreuer: Kontakt


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© Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH)

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